Steinbeis-SMI-Dozent Alfred Lukasczyk: „Big Data-Analysen sind im HR eine falsch verstandene Zauberformel“


Wenn Alexa Fragen zur Arbeitszeitregelung beantwortet und Chatbots Krankmeldungen verarbeiten – dann sind sich Mensch und Maschine schon ziemlich nahe gekommen. Alfred Lukasczyk präsentierte Interessierten in der School of Management and Innovation an der Steinbeis-Hochschule Berlin, wo das HR in Sachen Big Data steht. Der gefragte Speaker referierte im Rahmen eines Vortrags an der Steinbeis-SMI in Kooperation mit HR_netWork*, Studenten und Alumni über „Digitalen Humanismus“ im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz. Und das war sehr spannend.

Braucht man denn noch Lebensläufe von Bewerbern, war eine Frage, die Lukasczyk mit einem „eigentlich nicht“, beantwortete. Mittels Targeting könne man genügend Daten sammeln; spezielle Software wie die Sprachanalysetechnologie PRECIRE ist in der Lage, aus einem 15-minütigen Interview die Wirkungsweise, Emotionen und Eigenschaften eines Menschen vorauszusagen. „Der Algorithmus kann 42 Dimensionen einer Persönlichkeit messen“, zeigte Lukasczyk auf, um gleich darauf zu relativieren: „Nichtsdestotrotz weiß man nicht mit Sicherheit, wie ein Mensch reagieren wird.“ Will sagen: Auch wenn das Analysetool aufgrund der gemessenen Extrovertiertheit auf einen erfolgreichen Vertriebsmenschen hinweist, heißt es nicht, dass dieser auch ins Team passt und lange beim Unternehmen bleibt.

Die rund 25 Zuhörer aus der Praxis waren sich denn auch einig, dass das persönliche Kennenlernen eines Kandidaten (noch) nicht zu ersetzen ist. Sie tauschten sich über ihre Erfahrungen im Recruiting via Social Media aus – und die waren durchwachsen. Auch Lukasczyk teilte diese Ansicht als Aufstieg und Niedergang eines „HR-Superstars“. Während er vor rund sechs Jahren als Head of Employer Branding bei Evonik Industries selbst am Social Media-Hype mitarbeitete, stellt er heute ernüchtert fest: „Die Wirksamkeit ist begrenzt.“ Dafür hält er Instagram für ein kommendes und noch unterschätztes Instrument, mit dem man seine Unternehmensmarke bei entsprechenden Influencern positionieren kann. Wer Verkaufspersonal für ein Modehaus sucht, sollte beispielweise Markenerlebnisse mit Fashionbloggern schaffen. „Entscheidend ist, die Schnittpunkte in einer sozialen Gesellschaft zu erkennen“, erklärt er. Dabei lautet die Kernfrage: Wer ist überhaupt meine Zielgruppe?

Beliebt sind deshalb die Persona-Profile. Man stellt sich den idealen Bewerber in seiner Lebenswelt vor. Dann leuchtet es einem ein, dass man Pflegepersonal hervorragend über eine Zusammenarbeit mit einem Tierfutterhändler finden kann. Rund 70 Prozent der in der Pflege Tätigen haben – offenbar zum Ausgleich – ein Haustier. Wo kann man hingegen Bankangestellte finden? Typischerweise am Samstag beim Fußballtraining ihres Nachwuchses. „Man muss es gar nicht verkomplizieren“, sagt Lukasczyk, „sondern kreativ Muster brechen und mutig sein“.

Dann darf man sich auch dem Thema Big Data entspannt nähern. Es sei eine missverstandene Zauberformel, so der 55-Jährige, denn während die Datenmenge drastisch zunehme, stießen wir an ethische und juristische Grenzen bei der Auswertung. „Können wir überhaupt die bereits gesammelten Daten sinnvoll strukturieren“, fragt er in die Runde, „geschweige denn Big Data?“ Für ihn ist klar: Erst die Pflicht, das bedeutet, die Prozesse zu klären – und dann die Kür, das heißt, die Technik zu bemühen. „Das ist eine Superzeit jetzt, nutzen Sie das“, ermutigt er die Teilnehmer zum Abschluss. „Ich bin sicher, wenn wir uns in drei Jahren treffen, diskutieren wir das Thema komplett neu.“

*das HR_netWork ist eine Plattform für Personalfachkräfte aus der Medien-, Digital- und Kreativwirtschaft innerhalb des media:net berlinbrandenburg

Beim Vortrag begeistert zugehört und diesen Artikel verfasst hat: Gabriele Spiller, Alumna MedienMBA

Kommentare

  1. KONNTE ALS STUDENT BEI DER SMI HERRN LUKASCZYK SCHON 2010 ERLEBEN UND ZEHRE NOCH HEUTE VON SEINEN VORTRÄGEN. EIN PRAXISDOZENT MIT EXPERTISE

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