Einmal mit Gefühl: Leadership in der digitalen Transformation

Steinbeis SMI Round-up 4: News from the World of Change

In der aktuellen Ausgabe unserer internationalen Sammlung rund um digitale Transformation, Innovation und Unternehmertum beschäftigen wir uns mit Freundlichkeit ;-) - und zwar bei Führungskräften. 

Freundliche Führungskräfte sind nicht schwach und Innovation im Unternehmen muss mehr als nur der gelegentliche Workshop sein – was meint Ihr? Wer Feedback zu den Themen der aktuellen News from the World of Change Ausgabe hat, einfach kommentieren!



LEADERSHIP
 
Mehr Gefühl, bitte: Führung im digitalen Zeitalter
 
Eine Frau steht vor Kameras, kämpft mit den Tränen und sieht, um es auf den Punkt zu bringen, für einen Moment richtig verzweifelt aus. Die öffentliche Reaktion danach ist hochinteressant, denn nach Theresa Mays Abschiedsrede sticht in den Kommentaren der britischen Medien genau wie in der Social-Media-Konversation eine Sache immer wieder ins Auge: „Ach, Theresa, warum hast Du nicht während deiner Amtszeit mal Gefühle gezeigt, anstatt wie ein lebloser, kalter Roboter durch die Gegend zu marschieren. Dann hätte das doch alles viel besser geklappt.“ – so der Tenor vieler Aussagen. Jetzt, wo es zu spät ist, hat sich die Chefin als Mensch gezeigt.

Faktor Mensch im Fokus

In gewisser Weise stehen diese Reaktionen auf einen tragisch anmutenden politischen Moment für einen generellen Wandel in unserer Gesellschaft – und im Bereich Leadership. Gefühle haben und diese zeigen, auf andere Menschen eingehen und zugehen, zuhören können, nicht immer Recht haben müssen, flexibel sein und von sturen Positionen ablassen können oder sich auch mal im Hintergrund halten: Über Jahrhunderte war das für Menschen in Führungspositionen verpönt. Chefsein war klare – männerdominierte – Alpha-Sache, definiert durch Stärke bzw. Härte, unbeirrbares Vorangehen, Autorität, Strenge und eine gewisse Distanz zu den Mitarbeitern. Hierarchien waren wichtig und mussten eingehalten werden.

Zu den spannendsten Phänomenen des digitalen Zeitalters gehört es, dass sich diese althergebrachte Idee von Leadership gemeinsam mit einem Wandel der Arbeitskultur gerade gewaltig ändert bzw. bereits geändert hat. Und wenn einem Menschen in einer Führungsposition nahegelegt wird, dass fehlende „Fähigkeit zum (Mit)Gefühl“ den Misserfolg mit eingeläutet hat, wie das im Falle May angedeutet wurde, dann ist das bezeichnend.

Empathie gehört dazu

Womit wir beim Wort der Stunde wären: Empathie ist auf Management-Ebene plötzlich in aller Munde. Und man fragt sich eigentlich, warum erst jetzt. Denn wer in der Lage und bereit sich, sich in die Einstellungen anderer einzufühlen, kann ergo auch das Verhalten von entweder Individuen oder Teams besser einschätzen, vorhersagen und sich darauf einstellen. Hört sich doch unbedingt nach einer äußerst vorteilhaften Fähigkeit für Führungskräfte und damit Menschen an, die strategisch arbeiten und Entscheidungen treffen müssen. Dennoch, so populär wie heute, war dieses Wort noch nie.

Empathiefähigkeit gehört dabei zu einer Gruppe von sogenannten Soft Skills, die mit der digitalen Transformation in den Vordergrund unserer Arbeitswelt getreten sind. Und das hat auch damit zu tun, dass die Digitalisierung bestehende Silos aufgebrauchen hat. Was bzw. wer früher getrennt vor sich hingewurschtelt hat, muss sich jetzt öffnen, um Kunden – und das ist branchenübergreifend –eine nahtlose User Experience bieten zu können. Das bedeutet, Kommunikation, Kollaboration, Flexibilität und Empathie können in bestimmten Situationen den entscheidenden Unterschied machen.

Menschliche USPs

Ganz generell bringt der unaufhaltsame Siegeszug der Technologie mit sich, dass Menschliches in den Mittelpunkt gerückt wird: LinkedIn CEO Jeff Weiner sorgte beispielsweise letztes Jahr mit der Bemerkung für Aufmerksamkeit, dass nicht Programmieren die gefragteste Fähigkeit der Stunden sei, sondern Kommunikation. Sein Argument: Wenn wir zunehmend von Künstlicher Intelligenz umgeben sind, sind urmenschliche Fähigkeiten genau das, was am Arbeitsplatz gefragt ist. Die britische Einzelhandels-Gura (gibt es den weiblichen Guru? Egal, hiermit eingeführt!) Mary Portas ging aktuell in einem Interview in eine ähnliche Richtung: „Kreativität ist die Zukunft. Wir müssen Dinge tun, die Roboter und Computer nicht können. Wir brauchen Soft Skills und kreative Fähigkeiten.“

Die Karriere der 59-Jährigen, die als Schaufenstergestalterin startete und mit knapp 30 in die Geschäftsleitung des Luxuskaufhauses Harvey Nichols berufen wurde, war geprägt von der klassischen Alpha-Anzug-Kultur. In ihrem eigenen, 1997 gegründeten Unternehmen Portas, das u.a. Kunden wie Louis Vuitton und Mercedes-Benz strategisch sowie in der Markenkommunikation berät, hat sie darauf keine Lust und beschlossen: mit Offenheit und Freundlichkeit geht es auch.

Freundlichkeit ist keine Schwäche

In ihrem im letzten Jahr erschienenen „Work like a Woman“ Buch propagiert sie ein „age of kindness“, das „toxisches Alpha-Verhalten“ in Unternehmen endgültig zu einer Sache der Vergangenheit machen werde. Man kann sich darüber streiten, ob es sinnvoll ist, schon im Titel mit Klischees zu arbeiten und bestimmte Eigenschaften Geschlechtern zuzuordnen – und Portas sagt selbst, dass sie ihr Buch eigentlich auch „How Not to Work like an Arshole“ oder „How to Be a Decent Human Being“ hätte nennen können. Aber darum geht es an sich gar nicht. Ihr Anliegen ist es, Dinge („typisch weibliche“ Verhaltensweisen), die bisher in der Geschäftswelt als „soft“ oder „gefühlig“ negativ besetzt waren, von diesem Stigma zu befreien und – wertfrei sozusagen – zu einem „Code der Zukunft“ zu machen, der ohne Alpha-Männchen-Gehabe auskommt.

Es gibt – zum Glück – viele Beispiele dafür, dass Freundlichkeit und Empathie effektivem Führen definitiv nicht im Weg stehen müssen. Weder das eine noch das andere bedeutet, dass man ein autoritätsloser „Schwächling“ ist, dem keiner zuhört. Im Gegenteil. Im digitalen Zeitalter geht es weniger um Aspekte wie Positionen und Macht. Es geht darum, tiefgehende Änderungen zu gestalten, was nur funktioniert, wenn man den menschlichen Faktor ins Zentrum stellt: Wer im ständigen Wandel der digitalen Transformation nicht in der Lage ist, seine Teams mitzunehmen, Ängste zu verstehen und im Sinne eines Mentors Leute dabei zu unterstützen, mit immer wieder neuen Herausforderungen umzugehen, wird nicht nachhaltig gestalten können. Und das gelingt einem eben nur als Mensch und nicht als Maschine, die gefühllos stur voranschreitet. (Too late for you, Theresa, aber aus Fehlern kann man ja bekanntlich nur lernen ...).

Lese- und Hörmaterial:
  • Wer Interesse an Mary Portas Podcast zu ihrem Buch hat, in dem sie mit Männern und Frauen die neue Kultur des Arbeitens diskutiert – hier klicken.
  • „How Empathy Sparks Innovation“ erklärt Microsoft CEO Satya Nadella hier.

INNOVATION 


Deloitte-Studie: Europäischen Unternehmen fehlen effektive Innovationsstrategien
 

Große Unternehmen reden im Zusammenhang mit Innovation gerne davon, welch wichtige Rolle Start-ups als Innovationstreiber spielen. Ist cool und gehört heutzutage dazu. Die Realität sieht laut einer aktuellen Deloitte-Umfrage unter 760 europäischen Unternehmen in 16 Ländern allerdings anders aus. Die Macher sprechen gar von einem “Innovationstheater”, dass an vielen Stellen betrieben werde.

76% der befragten Unternehmen glauben, dass „neue Player und Disruptoren“ einen sehr wichtigen Einfluss auf die eigenen Geschäftsaktivitäten haben und genauso viele geben an, dass Start-ups Auslöser für eigene Innovation seien. Das heißt, man schaut sehr genau auf das, was Start-ups auf die Beine stellen. In der Praxis sieht es dann allerdings so aus, dass die meisten Corporates zwar viel darüber reden, wie sie mit diesen disruptiven Einheiten kollaborieren, es aber eher selten in die Realität umsetzen.

Workshops statt Zusammenarbeit mit Start-ups

Stattdessen vertraut man für innovative Impulse auf Workshops mit Experten aus der eigenen Industrie (45%) oder sogar die Analyse von Social-Media-Aktivitäten (31%). Nur 20% bzw. 27% gaben an, entweder Venture Capital in Start-ups zu investieren oder mit diesen zu kooperieren und gemeinsam an Produkten und Services zu arbeiten.

Laut den Deloitte-Beratern fehle vielen Unternehmen eine klare Innovationsstategie, auch wenn die Budgets in diesem Bereich erhöht werden. Innovation um der Innovation willen, sozusagen. Und ein Innovationsworkshop ist eben doch einfacher als mit einem Start-up zusammenzuarbeiten und sich auf eine ganz andere Unternehmens- und Arbeitskultur einzustellen.

Digitales Ökosystem besser nutzen

Zusammenfassend stellen die Autoren des „Innovation in Europe“ Reports fest, dass europäische Unternehmen noch nicht realisiert haben, wie wichtig es ist, innovative Quellen außerhalb des Unternehmens sinnvoll anzuzapfen: „Digitale Ökosysteme bieten bessere Verbindungen, die Unternehmen schneller Zugang zu neuem Know-how liefern und es ermöglichen, Wandel im Unternehmen effektiver zu integrieren. Wenn europäische Unternehmen es nicht schaffen, Input von außen umfassend zu nutzen, versäumen sie es, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.“

TIPP

Neue Online-Community für die europäische Start-up-Szene

Wenn wir gerade beim Thema sind: Wer Interesse am europäischen Start-Up-Ökosystem hat, sollte sich unbedingt die neue Financial Times Plattform „Sifted“ auf seine Quellenliste setzen und den dazugehörigen Newsletter in die Inbox holen: Die News- und Analyse-Website für europäische Innovatoren und Unternehmen hat es sich zum Ziel gesetzt, der Silicon-Valley-Perspektive eine starke europäische Stimme entegegenzusetzen und macht das mit der jounalistischen Qualität und Tiefe, die man von einem FT-Produkt erwarten kann. Die Jungs und Mädels von Sifted graben in ganz Europa aus, was europäische Start-ups und Innovatoren bewegt und bewegen. Das ist spannend, aufschlussreich und eine prima Quelle für alles rund um Start-ups, Tech und Innovation in Europa.
























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