Let’s talk disruption
Steinbeis SMI Round-up 2:
News from the World of Change
In der aktuellen Ausgabe unserer internationalen Sammlung rund um digitale Transformation, Innovation und Unternehmertum liegt der Fokus auf Disruption und den Erfolgsfaktoren für das erfolgreiche „Zerstören“ des Status Quo.Außerdem: Gedankenanstöße zu menschlicher und maschineller Kreativität und eine Mauer, die ausnahmsweise nicht trennt, sondern verbindet.
Let’s talk disruption
Das
Zauberwort unseres digitalen Zeitalters: Disruption. Schon 2015 kürte die FAZ den
Begriff zum Wort des Jahres unter Managern, an dem sie sich „besoffen reden
können.“ Disruption ist aber nicht nur ein Schlagwort. Dahinter steckt ein
strategischer Gedanke, eine Theorie und Praxis, die oft Grundlage des Geschäfts
von Marktnewcomern sind – ein Blick auf das Konzept und Erfolgsfaktoren
digitaler Disruptoren:
Per
Definition sind disruptive – also „zerstörende“ – Unternehmen solche, die mit
einem einmaligen, spitz auf eine Zielgruppe ausgerichtetem Produkt oder Service
ihre jeweilige Branche innerhalb kurzer Zeit radikal verändern. Oder, so der
amerikanische Wirtschaftswissenschaftler und Harvard Busines School Professor
Clayton M. Christensen, der die Begriffe „disruption“ sowie „disruptive innovations“
für die Produkte und Strategien von disruptiven Geschäftsmodellen 1995 in
Umlauf brachte: „'Disruption' beschreibt einen Prozess, mit dem es einem
kleineren Unternehmen mit weniger Ressourcen erfolgreich gelingt, etablierte
Geschäfte herauszufordern.“
Die
berühmten Beispiele solcher Unternehmen kennen wir alle: Das
Netflix-Geschäftsmodell, das den Hauptkonkurrenten Blockbuster verdrängte;
Airbnb als Schreckensgespenst der klassischen Hotelindustrie oder auch Uber,
das zwar keine spezifische disruptive Innovation vorzuweisen hat, aber mit
disruptiven Strategien unterwegs ist. Neben solchen Unternehmen, die es mit
ganzen Branchen aufnehmen, gibt es aber auch Gründer, die vertikale Elemente
einer Wertschöpfungskette im Blick haben. Und: Auch etablierte Unternehmen
können Disruptoren sein, indem sie ihr Geschäft innovativ „umarbeiten“. In
einem aktuellen Report untersuchte die britische Marktforschungs- und Beratungsplattform
Econsultancy, was solche erfolgreiche digitale Disruptoren gemeinsam haben –
und findet vier Hauptcharakteristiken:
1. Kundenbesessenheit
Kundenzentrierung
allein tut’s nicht mehr. Nein, disruptive digitale Unternehmen sind
„customer-obsessed“. Dahinter steht folgendes: Die Kundenperspektive wird nicht
mehr nur in die Produktentwicklung und das Marketing integriert –
kundenbesessene Unternehmen finden Wege, diese auch in der Kultur ihrer
Organisation lebendig werden zu lassen. Ein Beispiel: Zappos, ein 1999
gegründeter amerikanischer Onlineshop für Schuhe und Mode, dessen Kundenservicemethode
als „verrückt“ und „fanatisch“ beschrieben wird. Jährliche Umsatzerlöse von
über zwei Milliarden US-Dollar scheinen diesen Fanatismus zu rechtfertigen:
Der
Ansatz hört sich erst mal recht banal an: Kunden werden bei Zappos in allererster
Linie als Menschen gesehen. Was dazuführen kann, dass ein Angestellter im
Zappos Kunden-Callcenter auch mal einen Anruf entgegennimmt, der dann 10
Stunden und 43 Minuten dauert. Bis der Kunde (Mensch) eben zufrieden ist. Was
das Unternehmen, das 2009 an Amazon verkauft wurde, im Blick hat ist
Kundenloyalität – und jede Entscheidung, von internen Unternehmensstrukturen
bis zum Online-Support, unterliegt der Frage „Was ist für die Kunden am
besten?“ Dieser Ansatz einer „day one company” (jeden Tag so angehen, als wäre
es der erste des Unternehmens) kommt übrigens von Amazon-Gründer Jeff Bezos,
womit sich der Kreis im Zappos-Fall schließt ...
2. Herausragendes Service Design
Dienstleistung
existiert nicht nur einfach, sie muss gestaltet werden und alle Bereiche der
Interaktion zwischen Kunden und Unternehmen beachten. Service Design als
Disziplin zielt in diesem Sinne darauf ab, Kundenerlebnis, Kundenzentrierung
und den Nutzen zu verbessern, was Auswirkungen auf die gesamte Kultur eines
Unternehmens hat. Erfolgreiche Disruption zeichnet sich durch überdurchschnittlich
gutes Service Design aus. Dazu gehören u.a. ein Minimum an Kundenschritten, um
das gewünschte Ziel zu erreichen, oder einfache Kontaktaufnahmen mit „echten“
Mitarbeitern zur Beantwortung von Fragen.
3. Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Erfolgreiche
disruptive Unternehmen operieren oft nicht nur mit flachen Hierarchien, sondern
sind auch besser darin, multidisziplinäre Projektteams zusammenzustellen. Bei
Zappos haben Angestellte beispielsweise keine formellen Titel sowie die
Möglichkeit, das zu tun, wofür sie am meisten „brennen“. Bei Amazon gilt die „zwei
Pizzas” Regel: Wenn die Mitglieder eines Teams nicht mehr von zwei großen
Pizzas satt werden, ist es zu groß. In der amerikanischen Pizza-Welt sind das
dann sechs bis acht pro Team. Was darüber hinaus geht, erschwert die
Kommunikation und verringert die Schlagkraft.
4. Fokus auf „Liebesmetriken”
Anstatt
sich auf Kennzahlen wie Website-Besucherzahlen oder App-Downloads zu
konzentrieren, stellen digitale Disruptoren aktivere Kennzahlen in den
Mittelpunkt. Will heißen: Empfehlungs- oder Kundenbindungsraten als Metriken,
die tatsächlich zeigen, wie Kunden mit einem Service oder Produkt interagieren.
Zu wissen, wie viele Menschen eine App runtergeladen haben ist nützlich, viel
hilfreicher ist es allerdings zu wissen, wie viele diese nach einem bestimmten
Zeitraum noch nutzen, wie oft sie das tun und wie sie damit interagieren.
Solche „love metrics“ geben laut Scott Cook, Mitgründer des Software-Herstellers
Intuit, bessere Hinweise darauf „wie sehr die Leute ein Produkt lieben, wie oft
sie zurückkommen und wie begeistert sie sind.“ Und: Auf Basis dieser Kennzahlen
können Unternehmen einfacher identifizieren, wo Probleme liegen und wie
Änderungen im Marketing oder Service Design diese lösen können.
BUCHTIPP
Der
Kreatitivätscode
Mensch und Maschine – es
wird immer spannender: In seinem vor wenigen Wochen erschienenen Buch „The Creativity Code“
untersucht der Mathematiker und Oxford-Professor Marcus du Sautoy, was
Kreativität ist und stellt die Verbindung zu künstlicher Intelligenz her: Wie
funktionieren Algorithmen? Werden Computer jemals Symphonien komponieren,
preiswürdige Literatur verfassen oder Meisterwerke malen können? Und wenn ja,
sehen wir dann den Unterschied? Der Wissenschaftler kratzt mit seinem Buch an
der Sicherheit, in der wir Menschen uns gerne wiegen, dass Maschinen zwar
inzwischen vieles besser als wir können, aber das menschliche Herzstück
Kreativität doch sicher unantastbar bleibt. Er stellt das Konzept von
menschlicher Kreativität als den Blitzeinschlag genialer Inspiration in Frage
und zeigt auf, dass Kreativität eher auf extrem intelligenter Synthese besteht,
oder, wie van Gogh es ausdrückte, „großartige Dinge passieren nicht aus dem
Impuls, sondern wenn kleine Dinge zusammengebracht werden.“ Womit wir in
Bereichen wären, in denen Computer ja ganz gut sind.
Beim fröhlichen „Bach oder
Bot“-Raten im Londoner Coworking-Space „Second Home“, das anlässlich der Bucherscheinung zu einer interaktiven
Präsentation des Autors geladen hatte, zeigte sich, dass es alles andere als
eindeutig ist, ob hier nun ein Algorithmus oder Mensch am Werk war. Im Bereich
moderne Kunst ließ sich das Publikum bei den gezeigten Beispielen
beispielsweise in der Mehrheit von den KI-Werken als „echte“ Kreativität überzeugen
und selbst bei bei einem Bach Choral waren mehr als ein Drittel der Meinung,
dass Bot Bach sei. Ob der Moment gekommen ist zu akzeptieren, dass wir Menschen
nicht so einzigartig sind, wie wir gerne glauben? Du Sautoys Kreativuntersuchung
ist auf jeden Fall höchst inspirierend und regt zum Nachdenken an. Genau wie
seine Aussagen anlässlich der Buchveröffentlichung:
„Der Moment, wo Maschinen
ein eigenes Bewusstsein entwickeln, wird kommen, und dann werden wir unbedingt
wissen wollen, wie es sich anfühlt, diese Maschine zu sein.“
„Wir brauchen künstliche
Intelligenz, die emphatisch ist.“
„Künstliche Intelligenz
kann uns im kreativen Bereich aus unserer eigenen Komfortzone herausführen und
neue Möglichkeiten eröffnen.“
„Die Zukunft der Arbeit
wird eine Partnerschaft zwischen künstlicher Intelligenz und dem Menschen sein.
Und dabei müssen wir Menschen immer die Nase vorne haben.“
NEWS
Neues Netzwerk. Europäische Start-ups und
KMUs, die nach China expandieren möchten, haben einen neue Anlaufstelle: CENTI
(China-Europe Networks of Technology Innovation) hat es sich auf die Fahnen
geschrieben, die Lücke zwischen dem europäischen und chinesischen
Tech-Ökosystem zu schließen und als Berater zwischen den sehr unterschiedlichen
Unternehmensmärkten zu agieren. Die Organisation arbeitet bereits mit Tech
Nordic Advocates zusammen, um skandinavische Techunternehmen zu unterstützen,
und streckt ihre Fühler auch in Düsseldorf, Berlin, Paris und Amsterdam aus.
KI-Start-up
ohne KI. KI ist ohne Zweifel der zurzeit am häufigsten missbrauchte
Begriff in der Techszene und wie groß der Hype ist, scheinen die Ergebnisse
eines kürzlich veröffentlichten Reports eines
Venture Capital Unternehmens zu bestätigen: Denn 40% der KI-Start-ups in Europa
nutzen laut der Studie überhaut gar keine künstliche Intelligenz. Ups. Aber es
zu sagen bzw. nicht zu korrigieren, wenn man von Analysten fälschlicherweise so
eingestuft wird, kommt bei Investoren derzeit natürlich gut an. Die
Untersuchung, die sich 2830 (sogenannte) KI-Start-ups in 13 europäischen
Ländern anschaute, fand heraus, dass Unternehmen mit dem KI-Label im Vergleich
zu anderen zwischen 15 und 50 Prozent mehr an Investitionen in die Tasche
stecken konnten.
NUR
SO
Konstruktiver
Mauerbau
Komplett
im Anti-Trumpschen Sinne baut Afrika gerade eine Mega-Mauer – und zwar eine aus
Bäumen, die elf Länder über die Breite des Kontinents umspannen soll: „The
Great Green Wall“ (GGW) verläuft am
Südrand der Sahara mit dem ehrgeizigen Ziel von 8000 km Gesamtlänge. Seit 2008
wurden bereits Millionen von Bäumen gepflanzt – 11,4 Millionen davon allein im
Senegal. Als Reaktion auf Probleme wie Klimawandel, Migration und
Ernährungssicherheit leistet die grüne Mauer auch einen Beitrag zu den UN
Sustainable Development Goals (SDGs), eine globale Agenda mit dem Ziel, bis
2030 eine gerechtere und nachhaltigere Welt zu schaffen. Wer weniger googelt
und stattdessen die Suchmaschine Ecosia nutzt, kann
übrigens mitpflanzen: Ecosia nutzt Einnahmen von Suchanzeigen für die
Finanzierung von Aufforstungsprojekten und hat im Rahmen des GGW-Projekts schon
über drei Millionen Bäume in Burkina Faso gepflanzt.
Autor:
MedienMBA-Alumna Barbara Geier
B Connects. Barbara Geier Content Services
www.bconnects.net
MedienMBA-Alumna Barbara Geier
B Connects. Barbara Geier Content Services
www.bconnects.net
Kommentare
Kommentar veröffentlichen